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Mobility Training
Die Veränderung der heutigen Gesellschaft (Industrialisierung, Digitalisierung, Arbeit 4.0 etc.) & die damit einhergehenden Arbeitsverhältnisse führen zu einer Gesellschaft, die den Alltag vorwiegend im Sitzen verbringt.
Bewegungsmangel und dessen Folgen führen unweigerlich zu einer erhöhten Belastung des Bewegungsapparates. Besonders durch lange auf den Körper einwirkende, einseitige Belastungen (z.B. Sitzen im Büro und Home-Office) ist langfristig ein Verlust der physiologischen Gelenk-Beweglichkeit zu erwarten. Dieser Verlust an Beweglichkeit lässt sich durch ein spezifisches Training minimieren, bzw. verhindern. Hier kommt das Beweglichkeits- bzw. Mobility Training zum Einsatz.
Wie beweglich wir sind, hängt von verschiedenen Komponenten ab. Primär von:
- Der Flexibilität der Muskel-Sehen-Band Einheit. Gemeint ist die Bewegungsfreiheit der Muskulatur und des umliegenden Bindegewebes. Unsere Dehnfähigkeit gibt demnach Auskunft über unsere Flexibilität.
- Die Mobilität bezeichnet die aktiven Freiheitsgrade eines gesamten Gelenks. Für die optimale Ausführung vieler Fitnessübungen (z.B. tiefe Kniebeuge) benötigt man das gesamte Bewegungsausmaß (Full Range of Motion) von mehreren Gelenken und der gelenksumgreifenden Muskulatur.
Werden Bewegungseinschränkungen festgestellt, sollte man sich Gedanken über ein isoliertes Beweglichkeitstraining machen. Durch verminderte Beweglichkeit in einzelnen Gelenken, kann es zu Kompensationsmechanismen in benachbarten Gelenkbereichen kommen, die dann langfristig zu einem veränderten Muskel- und Gelenkstatus führen können (Muskuläre Dysbalancen).
Zur Verbesserung der isolierten Beweglichkeit haben sich folgende Trainingsmethoden bewährt:
1. Faszien-Training
Die Faszien umschließen jeden Muskel und bestehen allgemein aus kollagenem Bindegewebe. Je nach Lokalisierung besteht dieser aus unterschiedlichen Kombinationen von straffen und elastischen Kollagenfasern. Dies ist die Voraussetzung für eine reversible Formveränderung. Muskelfaszien sind untereinander abgetrennt (Kompartimente) und die Interzellularsubstanz (primär Wasser) ermöglicht die Flächenverschiebung untereinander, welches als intramuskuläre Gleitfähigkeit beschrieben wird.
Der Druck der durch die Rolle auf die Faszien und dessen Rezeptoren einwirkt, führt zu einer Reihe von Wirkmechanismen. Die spürbare Hauptwirkung eines Faszientrainings ist die Verbesserung der Beweglichkeit einer Muskel-Gelenkeinheit. Dieser Effekt ist durch folgende drei Regelmechanismen zu erklären:
Wirkungen
- Mechanisches Lösen von Adhäsionen (Verklebungen)
- verbesserte Durchblutung/ Hydrierung des Gewebes
- Muskeltonus Regulierung
Beim klassischen Faszientraining wird mit einer Faszien-Rolle oder ähnlichem Equipment, die Muskulatur durchgearbeitet. Die Effekte lassen sich mit klassischen Massage-Techniken vergleichen, mit dem großen Vorteil, dass diese Massage selbstständig und externe Person durchgeführt werden kann.
Abbildung 1: Faszien-Technik für die Wadenmuskulatur
2. Dehnen
Nach wie vor ist Dehnen ein stark kontrovers diskutiertes Thema. Welche Dehnmethode ist die effektivste für Sportler-/innen? Grundsätzlich sollte immer die Frage im Raum stehen, welches Ziel durch die Dehntechniken erreicht werden soll. Im Mobility Kontext steht die Erweiterung der Bewegungsreichweite von Muskel-Sehnen-Gelenk-Einheit im Vordergrund. Die Flexibilität des Muskels wird auch durch die Entspannungsfähigkeit der antagonistischen (Gegenspieler) Muskeln bestimmt.
Die praktikabelsten Dehntechniken lassen sich wie folgt unterscheiden:
- Dynamisches Dehnen
- Statisches Dehnen
Statisches Dehnen
Beim statischen Dehnen wird eine Dehnposition an der individuellen Schmerzgrenze eingenommen und bei gleichbleibender Intensität ausschließlich statisch in der maximalen Position gehalten. In einem langfristigen Dehnungstraining wird jede Muskelgruppe dabei 20–30 Sekunden gedehnt, es erfolgen ca. je 2–3 Sätze mit kleinen Pausenzeiten. Die Anwendung der statischen Methode zieht primär neurophysiologische Veränderungen nach sich.
Dynamisches Dehnen
Das dynamische Dehnen unterscheidet sich vom statischen Dehnen dadurch, dass die Endposition nicht einfach nur gehalten, sondern mit unterschiedlicher Intensität in den Endbereich der Bewegungsamplitude hineingearbeitet wird. Diese Dehnungen sollten so isoliert wie möglich auf ausgeführt werden. Durch wippende, federnde Bewegungen wird das dynamische Dehnen heute auch neumodern als Faszien-Gymnastik betitelt. Im Rahmen eines langfristigen Dehnungstrainings empfiehlt sich 10–15 federnde Dehn-Wiederholungen pro Muskelgruppe und 3 Sätze bei submaximaler bis maximale Intensität und einer Pausenzeit von 5–10 Sekunden.
Die Bewegungsamplitude erweitert sich durch regelmäßiges Dehnen. Das Ergebnis wird primär durch eine erhöhte Dehnungstoleranz der entsprechenden Muskeln hervorgerufen.
Abbildung 2: Dehnung für die Hüftbeuger-Region
3. Joint-Mobility
Bei dieser Trainingsmethode geht es um die Kontrolle isolierter Gelenkbeweglichkeit, möglichst über das volle Bewegungsausmaß (ROM). Das Ziel ist hier die physiologische Gelenkbeweglichkeit (wieder-)herzustellen. Als Grundlage dieser Methode dient der Joint-by-Joint-Approach. Hierbei stehen folgende Gelenke im Fokus:
Oberes Sprunggelenk – Hüftgelenk – Brustwirbelsäulengelenke – Glenohumeralgelenk — Halswirbelsäulengelenke.
Bei der Ausführung dieser hochspezialisierten Übungen sollten einige Dinge beachtet werden:
Trainingsprinzipien der Gelenk-Mobilisation
- Schmerzfreiheit bei der Ausführung
- Beachtung der physiologischen Bewegungsbahn
- Isolierte Mobilisation (kein Weiterlaufen der Bewegung in andere Gelenke)
- Endgradige Bewegungsbahn (kontrolliert, nicht manipulativ)
- Hohe Wiederholungszahlen (20–30 Wiederholungen)
- Konzentration während der Ausführung
- Korrekte Bewegungsausführung = hohe Bewegungsqualität
Abbildung 3: Gelenkmobilisation für die Schulter
Exkurs:
Was hat Krafttraining mit Beweglichkeit zu tun?
Wird ein Krafttraining ausgeführt, in dem viele freie Übungen (Kniebeugen, Kreuzheben, Schulterdrücken, Ausfallschritte etc.) ausgeführt werden, führt dieses Training auch langfristig zu einer Verbesserung der Beweglichkeit. Bei komplexen Übungen wird das komplette Gelenkausmaß abgefragt und unter Belastung durchbewegt. Dadurch wird Flexibilität und Mobilität im Arbeitsmodus trainiert. Zum Beispiel können sich tiefe Kniebeugen optimal auf die Sprung‑, Knie- und Hüftbeweglichkeit auswirken.
Abbildung 4: Kniebeugevariante: Front-Squat
Fazit
Zur optimalen Erweiterung der isolierten Bewegungsamplitude der Muskel-Gelenk-Einheit ist eine Kombination der drei Trainingsmethoden sinnvoll. Besonders die Kombination aus Faszien Training und Dehntechniken führen zu einer gesteigerten Beweglichkeit.
Für langfristige Erfolge eines Beweglichkeitstrainings gilt es folgende Information zu berücksichtigen:
- Prävention à Primär sollten die Ursachen der Bewegungseinschränkung (z.B. langes Sitzen) identifiziert und reduziert werden
- Regelmäßigkeit à Die Effekte des Beweglichkeitstraining, sind nur so lange vorhanden, wie auch regelmäßig trainiert wird
- Vollamplituden-Krafttraining à eignet sich optimal strukturelle Verlängerung der Muskultur