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Mobi­li­ty Trai­ning

Die Ver­än­de­rung der heu­ti­gen Gesell­schaft (Indus­tria­li­sie­rung, Digi­ta­li­sie­rung, Arbeit 4.0 etc.) & die damit ein­her­ge­hen­den Arbeits­ver­hält­nis­se füh­ren zu einer Gesell­schaft, die den All­tag vor­wie­gend im Sit­zen ver­bringt.

Bewe­gungs­man­gel und des­sen Fol­gen füh­ren unwei­ger­lich zu einer erhöh­ten Belas­tung des Bewe­gungs­ap­pa­ra­tes. Beson­ders durch lan­ge auf den Kör­per ein­wir­ken­de, ein­sei­ti­ge Belas­tun­gen (z.B. Sit­zen im Büro und Home-Office) ist lang­fris­tig ein Ver­lust der phy­sio­lo­gi­schen Gelenk-Beweg­lich­keit zu erwar­ten. Die­ser Ver­lust an Beweg­lich­keit lässt sich durch ein spe­zi­fi­sches Trai­ning mini­mie­ren, bzw. ver­hin­dern. Hier kommt das Beweg­lich­keits- bzw. Mobi­li­ty Trai­ning zum Ein­satz.

Wie beweg­lich wir sind, hängt von ver­schie­de­nen Kom­po­nen­ten ab. Pri­mär von:

  1. Der Fle­xi­bi­li­tät der Mus­kel-Sehen-Band Ein­heit. Gemeint ist die Bewe­gungs­frei­heit der Mus­ku­la­tur und des umlie­gen­den Bin­de­ge­we­bes. Unse­re Dehn­fä­hig­keit gibt dem­nach Aus­kunft über unse­re Fle­xi­bi­li­tät.
  2. Die Mobi­li­tät bezeich­net die akti­ven Frei­heits­gra­de eines gesam­ten Gelenks. Für die opti­ma­le Aus­füh­rung vie­ler Fit­ness­übun­gen (z.B. tie­fe Knie­beu­ge) benö­tigt man das gesam­te Bewe­gungs­aus­maß (Full Ran­ge of Moti­on) von meh­re­ren Gelen­ken und der gelenk­s­um­grei­fen­den Mus­ku­la­tur.

Wer­den Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen fest­ge­stellt, soll­te man sich Gedan­ken über ein iso­lier­tes Beweg­lich­keits­trai­ning machen. Durch ver­min­der­te Beweg­lich­keit in ein­zel­nen Gelen­ken, kann es zu Kom­pen­sa­ti­ons­me­cha­nis­men in benach­bar­ten Gelenk­be­rei­chen kom­men, die dann lang­fris­tig zu einem ver­än­der­ten Mus­kel- und Gelenk­sta­tus füh­ren kön­nen (Mus­ku­lä­re Dys­ba­lan­cen).


Zur Ver­bes­se­rung der iso­lier­ten Beweg­lich­keit haben sich fol­gen­de Trai­nings­me­tho­den bewährt:

1. Fas­zi­en-Trai­ning

Die Fas­zi­en umschlie­ßen jeden Mus­kel und bestehen all­ge­mein aus kol­la­ge­nem Bin­de­ge­we­be. Je nach Loka­li­sie­rung besteht die­ser aus unter­schied­li­chen Kom­bi­na­tio­nen von straf­fen und elas­ti­schen Kol­la­gen­fa­sern. Dies ist die Vor­aus­set­zung für eine rever­si­ble Form­ver­än­de­rung. Mus­kel­fas­zi­en sind unter­ein­an­der abge­trennt (Kom­par­ti­men­te) und die Inter­zel­lu­lar­sub­stanz (pri­mär Was­ser) ermög­licht die Flä­chen­ver­schie­bung unter­ein­an­der, wel­ches als intra­mus­ku­lä­re Gleit­fä­hig­keit beschrie­ben wird.

Der Druck der durch die Rol­le auf die Fas­zi­en und des­sen Rezep­to­ren ein­wirkt, führt zu einer Rei­he von Wirk­me­cha­nis­men.  Die spür­ba­re Haupt­wir­kung eines Fas­zi­en­trai­nings ist die Ver­bes­se­rung der Beweg­lich­keit einer Mus­kel-Gelenk­ein­heit. Die­ser Effekt ist durch fol­gen­de drei Regel­me­cha­nis­men zu erklä­ren:

Wir­kun­gen

  • Mecha­ni­sches Lösen von Adhä­sio­nen (Ver­kle­bun­gen)
  •  ver­bes­ser­te Durchblutung/ Hydrie­rung des Gewe­bes
  •  Mus­kel­to­nus Regu­lie­rung

Beim klas­si­schen Fas­zi­en­trai­ning wird mit einer Fas­zi­en-Rol­le oder ähn­li­chem Equip­ment, die Mus­ku­la­tur durch­ge­ar­bei­tet. Die Effek­te las­sen sich mit klas­si­schen Mas­sa­ge-Tech­ni­ken ver­glei­chen, mit dem gro­ßen Vor­teil, dass die­se Mas­sa­ge selbst­stän­dig und exter­ne Per­son durch­ge­führt wer­den kann.

 

Abbil­dung 1: Fas­zi­en-Tech­nik für die Waden­mus­ku­la­tur

2. Deh­nen

Nach wie vor ist Deh­nen ein stark kon­tro­vers dis­ku­tier­tes The­ma. Wel­che Dehn­me­tho­de ist die effek­tivs­te für Sport­ler-/in­nen? Grund­sätz­lich soll­te immer die Fra­ge im Raum ste­hen, wel­ches Ziel durch die Dehn­tech­ni­ken erreicht wer­den soll. Im Mobi­li­ty Kon­text steht die Erwei­te­rung der Bewe­gungs­reich­wei­te von Mus­kel-Seh­nen-Gelenk-Ein­heit im Vor­der­grund. Die Fle­xi­bi­li­tät des Mus­kels wird auch durch die Ent­span­nungs­fä­hig­keit der ant­ago­nis­ti­schen (Gegen­spie­ler) Mus­keln bestimmt.

Die prak­ti­ka­bels­ten Dehn­tech­ni­ken las­sen sich wie folgt unter­schei­den:

  • Dyna­mi­sches Deh­nen
  • Sta­ti­sches Deh­nen

Sta­ti­sches Deh­nen

Beim sta­ti­schen Deh­nen wird eine Dehn­po­si­ti­on an der indi­vi­du­el­len Schmerz­gren­ze ein­ge­nom­men und bei gleich­blei­ben­der Inten­si­tät aus­schließ­lich sta­tisch in der maxi­ma­len Posi­ti­on gehal­ten. In einem lang­fris­ti­gen Deh­nungs­trai­ning wird jede Mus­kel­grup­pe dabei 20–30 Sekun­den gedehnt, es erfol­gen ca. je 2–3 Sät­ze mit klei­nen Pau­sen­zei­ten. Die Anwen­dung der sta­ti­schen Metho­de zieht pri­mär neu­ro­phy­sio­lo­gi­sche Ver­än­de­run­gen nach sich.

Dyna­mi­sches Deh­nen

Das dyna­mi­sche Deh­nen unter­schei­det sich vom sta­ti­schen Deh­nen dadurch, dass die End­po­si­ti­on nicht ein­fach nur gehal­ten, son­dern mit unter­schied­li­cher Inten­si­tät in den End­be­reich der Bewe­gungs­am­pli­tu­de hin­ein­ge­ar­bei­tet wird. Die­se Deh­nun­gen soll­ten so iso­liert wie mög­lich auf aus­ge­führt wer­den. Durch wip­pen­de, federn­de Bewe­gun­gen wird das dyna­mi­sche Deh­nen heu­te auch neu­mo­dern als Fas­zi­en-Gym­nas­tik beti­telt. Im Rah­men eines lang­fris­ti­gen Deh­nungs­trai­nings emp­fiehlt sich 10–15 federn­de Dehn-Wie­der­ho­lun­gen pro Mus­kel­grup­pe und 3 Sät­ze bei sub­ma­xi­ma­ler bis maxi­ma­le Inten­si­tät und einer Pau­sen­zeit von 5–10 Sekun­den.


Die Bewe­gungs­am­pli­tu­de erwei­tert sich durch regel­mä­ßi­ges Deh­nen. Das Ergeb­nis wird pri­mär durch eine erhöh­te Deh­nungs­to­le­ranz der ent­spre­chen­den Mus­keln her­vor­ge­ru­fen.

Abbil­dung 2: Deh­nung für die Hüft­beu­ger-Regi­on

3. Joint-Mobi­li­ty

Bei die­ser Trai­nings­me­tho­de geht es um die Kon­trol­le iso­lier­ter Gelenk­be­weg­lich­keit, mög­lichst über das vol­le Bewe­gungs­aus­maß (ROM). Das Ziel ist hier die phy­sio­lo­gi­sche Gelenk­be­weg­lich­keit (wieder-)herzustellen. Als Grund­la­ge die­ser Metho­de dient der Joint-by-Joint-Approach. Hier­bei ste­hen fol­gen­de Gelen­ke im Fokus:

Obe­res Sprung­ge­lenk – Hüft­ge­lenk – Brust­wir­bel­säu­len­ge­len­ke – Glen­oh­u­me­ral­ge­lenk — Hals­wir­bel­säu­len­ge­len­ke.


Bei der Aus­füh­rung die­ser hoch­spe­zia­li­sier­ten Übun­gen soll­ten eini­ge Din­ge beach­tet wer­den:

Trai­nings­prin­zi­pi­en der Gelenk-Mobi­li­sa­ti­on

  • Schmerz­frei­heit bei der Aus­füh­rung
  • Beach­tung der phy­sio­lo­gi­schen Bewe­gungs­bahn
  • Iso­lier­te Mobi­li­sa­ti­on (kein Wei­ter­lau­fen der Bewe­gung in ande­re Gelen­ke)
  • End­gra­di­ge Bewe­gungs­bahn (kon­trol­liert, nicht mani­pu­la­tiv)
  • Hohe Wie­der­ho­lungs­zah­len (20–30 Wie­der­ho­lun­gen)
  • Kon­zen­tra­ti­on wäh­rend der Aus­füh­rung
  • Kor­rek­te Bewe­gungs­aus­füh­rung = hohe Bewe­gungs­qua­li­tät

 

Abbil­dung 3: Gelenk­mo­bi­li­sa­ti­on für die Schul­ter

Exkurs:

Was hat Kraft­trai­ning mit Beweg­lich­keit zu tun?

Wird ein Kraft­trai­ning aus­ge­führt, in dem vie­le freie Übun­gen (Knie­beu­gen, Kreuz­he­ben, Schul­ter­drü­cken, Aus­fall­schrit­te etc.) aus­ge­führt wer­den, führt die­ses Trai­ning auch lang­fris­tig zu einer Ver­bes­se­rung der Beweg­lich­keit. Bei kom­ple­xen Übun­gen wird das kom­plet­te Gelenk­aus­maß abge­fragt und unter Belas­tung durch­be­wegt. Dadurch wird Fle­xi­bi­li­tät und Mobi­li­tät im Arbeits­mo­dus trai­niert. Zum Bei­spiel kön­nen sich tie­fe Knie­beu­gen opti­mal auf die Sprung‑, Knie- und Hüft­be­weg­lich­keit aus­wir­ken.

 

Abbil­dung 4: Knie­beu­ge­va­ri­an­te: Front-Squat


Fazit

Zur opti­ma­len Erwei­te­rung der iso­lier­ten Bewe­gungs­am­pli­tu­de der Mus­kel-Gelenk-Ein­heit ist eine Kom­bi­na­ti­on der drei Trai­nings­me­tho­den sinn­voll. Beson­ders die Kom­bi­na­ti­on aus Fas­zi­en Trai­ning und Dehn­tech­ni­ken füh­ren zu einer gestei­ger­ten Beweg­lich­keit.

Für lang­fris­ti­ge Erfol­ge eines Beweg­lich­keits­trai­nings gilt es fol­gen­de Infor­ma­ti­on zu berück­sich­ti­gen:

 

  • Prä­ven­ti­on à Pri­mär soll­ten die Ursa­chen der Bewe­gungs­ein­schrän­kung (z.B. lan­ges Sit­zen) iden­ti­fi­ziert und redu­ziert wer­den
  • Regel­mä­ßig­keit à Die Effek­te des Beweg­lich­keits­trai­ning, sind nur so lan­ge vor­han­den, wie auch regel­mä­ßig trai­niert wird
  • Voll­am­pli­tu­den-Kraft­trai­ning à eig­net sich opti­mal struk­tu­rel­le Ver­län­ge­rung der Mus­kul­tur