Gehörst du eher zu den Läufer*innen, die sich bis­her noch nie bewusst mit der eige­nen Atmung beim Lau­fen aus­ein­an­der­ge­setzt haben?

Oder gehörst du zu den­je­ni­gen, die so viel Bewusst­sein auf die Atmung legen, dass viel­leicht Unsi­cher­heit ent­steht, wie es denn nun „rich­tig“ geht? Viel­leicht hast du auch manch­mal Sei­ten­sti­che, vor allem beim Los­lau­fen, und fragst dich, was du „falsch“ machst.

Die Steu­er­bar­keit der Atmung

Die Ant­wort, wie „rich­tig“ zu atmen ist, ergibt sich aus der Fra­ge „wofür genau brauchst du dei­ne Atmung?“ Du wirst viel­leicht eine ande­re Atmung (Tie­fe, Häu­fig­keit) an den Tag legen, ob du ein locke­res, 10-minü­ti­ges Läuf­chen absol­vierst oder einen 5 km-Lauf auf Zeit. Bei­de Läu­fe haben aller­dings gemein­sam, dass du sog. „sub­ma­xi­ma­le“ Leis­tungs­be­rei­che abrufst – also mehr oder weni­ger unter dei­ner maxi­ma­len Leis­tungs­ka­pa­zi­tät bleibst. Anders­her­um gesagt: bei dem Ver­such, 5 km maxi­mal zu lau­fen (also zu sprin­ten), wer­den wir alle wohl kläg­lich schei­tern, denn „maxi­mal“ ist so eine lan­ge Stre­cke am Stück nicht mög­lich – das hat pul­mo­na­re wie kar­dio­vas­ku­lä­re Grün­de. Ein Vor­teil bei sub­ma­xi­ma­ler Belas­tung ist, dass auch die Atmung – sofern wir unse­ren Fokus dar­auf­le­gen – steu­er­bar bleibt. Die Atmung in maxi­ma­len Berei­chen hin­ge­gen ist äußerst reflex­haft. Mit Zunah­me an Geschwin­dig­keit ver­lierst du also suk­zes­si­ve die Kon­trol­lier­bar­keit dei­ner Atmung. 

Atmung und indi­vi­du­el­le Leis­tungs­ver­bes­se­rung

Die Atmung arbei­tet mit dem Herz­kreis­lauf­sys­tem im Ver­bund. Durch das Ein­at­men kommt Sau­er­stoff in dei­ne Lun­gen und von der Lun­ge wird der Sau­er­stoff bei jedem Herz­schlag in dei­nen Kör­per gepumpt. Je grö­ßer dei­ne maxi­ma­le Sau­er­stoff­auf­nah­me (VO2 max) ist, des­to locke­rer bleibst du auch bei schnel­le­ren Geschwin­dig­kei­ten, weil du durch einen Atem­zug dei­ner Lun­ge mehr Sau­er­stoff ins Sys­tem bekommst (die Schlag­ka­pa­zi­tät dei­nes Her­zens nun ein­mal außen vor­ge­las­sen). Ist logisch?! Die­se Auf­nah­me­fä­hig­keit ist in einem gewis­sen Umfang trai­nier­bar. Ein Bei­spiel: ein untrai­nier­ter Mensch hat im Schnitt eine VO2 max von 30 – 50 ml O2/(kg x min). Durch ein Trai­ning kann eine Ver­bes­se­rung von 25 – 50 % erwar­tet wer­den. Das ist einer­seits ein enor­mes Poten­zi­al, das fast jeder Mensch ver­wirk­li­chen kann. Ande­rer­seits ist die VO2 max stark gene­tisch bedingt, denn um in den Aus­dau­er­spit­zen­leis­tungs­be­reich vor­zu­sto­ßen, ist es not­wen­dig, mit einer VO2 max von 60 ml O2/(kg x min) auf die Welt zu kom­men – untrai­niert ver­steht sich! Durch sys­te­ma­ti­sches Trai­ning kann bzw. soll­te die­se dann auf 80 ml O2/(kg x min) ver­grö­ßert wer­den, um ernst­haft „oben mit­zu­spie­len“. Wenn du also trotz Trai­nings nicht so schnell und aus­dau­ernd bist wie dein*e Laufpartner*in schein­bar ohne viel Trai­ning, kannst du davon aus­ge­hen, dass der Kör­per gegen­über sehr wahr­schein­lich (unter ande­rem) eine ande­ren „Hub­raum“ ver­baut bekom­men hat 😉

Das soll­te dich auf kei­nen Fall demo­ti­vie­ren, son­dern dir eine Erklä­rung geben, die dir hilft, dein Lau­fen dar­auf zu kon­zen­trie­ren, dass es um die Sache selbst geht – Bewe­gung, Ent­span­nung, Freu­de, Gesund­heit und nicht um wil­de Kör­per- oder Leis­tungs­ver­glei­che, die nicht sinn­voll sind. Eine Mög­lich­keit ist der Fokus auf die eige­ne Atmung.

 

Atem­fre­quenz und Atem­tie­fe

Du hast beim Lau­fen die Wahl zwi­schen einem tie­fe­ren Atem­zug (sel­te­ner, mehr Sau­er­stoff) oder einer höhe­ren Atem­fre­quenz (häu­fi­ger, weni­ger Sau­er­stoff). Bei dem Blick in die Lite­ra­tur wird die tie­fe Atmung klar favo­ri­siert: sie nutzt mehr Lun­gen­ka­pa­zi­tät, hat eine höhe­re Sau­er­stoff­bin­dung im Blut, hat posi­ti­ve Effek­te auf die Atem­mus­ku­la­tur, funk­tio­niert (mehr) über die Bauch­at­mung. Sie ver­bin­det so Effek­ti­vi­tät und Ent­spannt­heit. Die hohe Atem­fre­quenz basiert auf der Brust­at­mung, nutzt das vor­han­de­ne Lun­gen­vo­lu­men wenig, läuft im Über­maß auf das Hyper­ven­ti­lie­ren hin­aus und ver­schleu­dert sogar Sau­er­stoff für das Atmen selbst – sie wirkt wenig effek­tiv und wenig ent­spannt. Wie du dir vor­stel­len kannst, ist die­ses hier dar­ge­stell­te „entweder/oder“-Schema ein­di­men­sio­nal. Es dien­te kurz der Dar­stel­lung von Wir­kungs­wei­sen. Bei stei­gen­der Geschwin­dig­keit oder stei­gen­der Dau­er bei gleich­blei­ben­der Geschwin­dig­keit sind bei­de Stell­schrau­ben sehr funk­tio­nal zu ver­ste­hen: opti­ma­ler­wei­se bleibt dei­ne Atmung mög­lichst tief bei stei­gen­der Atem­fre­quenz. Atem­tie­fe geht vor Atem­fre­quenz. Das Pro­dukt aus der Atem­fre­quenz und dem Atem­zug­vo­lu­men ist somit eine wich­ti­ge Grö­ße fürs Lau­fen: das sog. „Atem­mi­nu­ten­vo­lu­men“. 

Dein Atem­mi­nu­ten­vo­lu­men

Mit wel­chen Atem­mi­nu­ten­vo­lu­men du am Ende unter­wegs bist, ist sehr indi­vi­du­ell. Die Atmung über eine glas­kla­re Tak­tung für alle zu pau­scha­li­sie­ren, wider­spricht der Indi­vi­dua­li­tät des jewei­li­gen Kör­pers, sei­ner eige­nen Leis­tungs­fä­hig­keit und der Kom­ple­xi­tät der Sache selbst. ABER: Das tie­fe Atmen zu üben, ist in jedem Zustand gesund und nütz­lich, ob am Schreib­tisch, bei der Arbeit oder beim Schna­cken mit net­ten Men­schen. Ruhig, tief und regel­mä­ßig durch den Bauch. Die­se Tie­fe ins Lau­fen zu über­füh­ren ist super – üben! Gleich­zei­tig müs­sen wir beden­ken, dass selbst beim Fokus auf die Atem­tie­fe die Tat­sa­che bestehen bleibt, dass man­che Men­schen eine VO2 max von 30 ml O2/(kg x min) haben ande­re hin­ge­gen eine von 50 ml – trotz Atem­tie­fe oder Fre­quenz. C’est la vie. Des­halb bleibt ein hei­ßer Tipp für die Atmung: „(Ver)Suche Regel­mä­ßig­keit“.

 

Regel­mä­ßig­keit der Atmung

Dei­ne Atmung soll­te dei­nem Wohl­be­fin­den genau­so dien­lich sein wie dei­nen Trai­nings­zie­len. Atmung bewusst zu steu­ern, bedeu­tet, dass du im Trai­ning auf Ziel gege­be­nen­falls anders atmest als beim locke­ren Dau­er­lauf aus Spaß. Es gibt zwar Tipps und Tricks, die dich „auf die Stra­ße“ brin­gen, aber höre auf dei­nen Kör­per. Für einen ers­ten Start: Rich­te dei­ne Atmung beim Lau­fen nach den Schrit­ten aus. Zum Bei­spiel 2 Schrit­te ein­at­men, 2 Schrit­te aus­at­men oder 3 Schrit­te ein­at­men, 3 Schrit­te aus­at­men oder 2 zu 3. Zwei Schrit­te ein‑, 2 Schrit­te aus­at­men ist bspw. ein Rhyth­mus, der im Lang­stre­cken­lauf für vie­le Leu­te sehr gut funk­tio­niert, denn so kön­nen rela­tiv lang­sa­me Läu­fe gut gemeis­tert wer­den und die­sel­be Atem­fre­quenz nützt dir auch bei schnel­le­ren Läu­fen – ein „all in one“-Atemrhythmus sozu­sa­gen. Wenn du bewuss­ter tie­fer atmen möch­test, wählst du 3 oder mehr Schrit­te für das Ein­at­men. Wenn du schnel­ler lau­fen möch­test, wirst du kei­ne ande­re Wahl haben, als einen schnel­le­ren Rhyth­mus zu suchen. Pro­bie­re unter­schied­li­che Rhyth­men von Lauf zu Lauf aus und fühl‘ ein­mal, womit du dich wohl und funk­tio­nal fühlst. Viel­leicht wird es der 2–2 für dich? Oder je nach Lauf­tem­po, ‑pro­fil, Lust und Lau­ne unter­schied­li­che Rhyth­men? Keep it ste­ady.

 

Phä­no­men Sei­ten­sti­che:
Die Grün­de dafür sind nach wie vor unge­wiss. Was wich­tig ist, wie kannst du damit umge­hen:

  • Redu­zie­re dein Lauf­tem­po oder gehe kurz, bis sich die Atmung beru­higt hat – Fokus auf das Aus­at­men
  • Drü­cke vor­sich­tig mit der Hand auf die schmer­zen­de Bauch­sei­te (spannt die Bauch­mus­ku­la­tur an und betont die Aus­at­mung. Beim Los­las­sen ent­spannt es die Mus­ku­la­tur)
  • Abwech­selnd die Arme nach oben heben (streckt und ent­spannt die Bauch­mus­ku­la­tur)
  • Üppi­ge Mahl­zei­ten erst zwei Stun­den (oder mehr) ver­dau­en las­sen
  • Stets nur klei­ne Men­gen Flüs­sig­keit beim Trai­ning zufüh­ren
  • Bewusst lang­sam los­lau­fen, erst nach 10 Minu­ten das Tem­po erhö­hen, falls gewünscht
  • Sepa­ra­tes Kraft­trai­ning der Bauch­mus­ku­la­tur